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Mittwoch, 23. April 2014

Reduzieren und Aufwerten

Ich stelle mir die Situation vor, dass irgendwo ein Bedürfnis entsteht und ich darauf antworte: "Ich kann helfen, ich habe noch ein altes ....."
Meine Freunde haben selten Bedürfnisse, die sich mit einem alten Gegenstand decken liessen. Hätte ich ein Boot oder Ferienhaus zu verleihen, dann vielleicht. "Ich habe noch ein altes Boot. Es wird in der Nacht vielleicht lecken, aber ansonsten ist es noch völlig in Ordnung." Oder: "Ich habe ein altes Ferienhaus. Es müffelt und hat Spinnen. Ihr seid herzlich willkommen."
Als ich klein war, half man sich mit Gegenständen aus, man fragte herum, wer denn einen Camping-Grill ausleihen könnte, weil es klar war, dass nicht jeder alles besass. Heute lohnt es sich immer weniger, etwas aufzubewahren, was man nicht täglich oder voller Freude benutzt. Abgesehen von Steuerunterlagen natürlich. Was man zum Leben braucht ist billig. Krankenkasse und Miete sind teuer. Für die beiden könnte ich mir jeden Monat 20 mittelpreisige Camping-Grills kaufen.
Es lohnt sich immer weniger, Dinge aufzubewahren. Und auch die Oma vererbt einzelne Gegenstände, nicht Koffer voll Erbstücke, die man aus Pietät behalten muss.
Souvenirs sind meistens aus China und damit sinnentleert, ausser auf Chinareise.
Und die wertvollen Dinge wie Computer, ein biologisches Daunenfederbett, auf das ich gerade spare, oder Zeit, kann man schlecht ausleihen.
Verspätet gehe ich mit Ezra Pound und mache es neu.

tanto levior

Die Vase gab den Anstoss, sie und ihren Zwilling zu entsorgen. Die vielen Geschenktassen dazu. Warum schenken mir die Leute immer Tassen? Ich hätte lieber Tee. Razupaltuff. Die wollten mich auf die Unterversorgung meines Schrankes mit Tassen hinweisen. I get it now.
Vasen braucht eigentlich kein Mensch. Alles, was mit "Zier-" beginnt auch nicht. Dubletten auch nicht. Auch nicht Kleidung, die man sowieso nicht trägt. Aber man hat sie halt mal gekauft, weil das gelb so schön war und wer weiss, ob sich nicht doch einmal eine Gelegenheit dazu ergibt? Es klingelt. Ich mache die Tür auf. Vor der Tür steht der Anführer einer neuen Sekte: "Guten Tag, wir versprechen Ihnen ewiges Seelenheil, wenn auch Sie ein noch ungetragenes, gelbes T-Shirt besitzen, selbiges nun vorzeigen und unter unserem wachsamen Blick das Etikett entfernen."
Man behält Dinge, um sich nicht als aktiver Teil der Wegwerfgesellschaft zu fühlen. Man bezahlt dafür mit Geld, Zeit beim Einkaufen, und ganz viel schlechtem Gewissen. Nun hab ich mich für das T-Shirt entschieden, jetzt muss ich auch die Verantwortung dafür übernehmen.
Nein. Drei Viertel meiner Kleidung bekommt die Caritas. Was übrig bleibt ist das, was tatsächlich jetzt ohne Ausreden passt und was mich nicht stört. Ab sofort trage ich meine beste Kleidung. Und wenn die abgenutzt ist, gebe ich sie weg. Ich kaufe nicht meeehr Kleidungsstücke, sondern nacheinander. Ich besitze die Dinge, die ich will, und gebe den Rest weg. Alles andere ist einfach ... unehrlich. "Totale Verantwortung" ist ein Spruch eines meiner Professoren, der mich sehr geprägt hat. Und die bittere Erkenntnis ist: Ich besitze abgesehen von Computern nichts von Wert. Ich hänge mein Herz an Krempel. Ich lasse mich von wertlosem Krempel einengen und mir ein schlechtes Gewissen machen. Mein Krempel ist kein Sicherheitsnetz, nichts, das man verkaufen könnte, wenn die Zeiten schlecht sind. Er ist halt "noch gut".
Früher war jedes Ding eine Anschaffung. Heute wird man mit billigem Krempel überschwemmt. Ich glaube, man könnte sich kostenlos mit Promo-Artikeln einkleiden. Es ist Zeit für eine Neukalibrierung der Werte. Mir sind Möglichkeiten wichtig. Dazu brauche ich Gedankenfreiheit, freie Flächen, keine sichtbaren Reminder von irgendwas. Was wäre der worst case? Ich könnte mich fünf Minuten langweilen und müsste mir, wie als Kind, eine Beschäftigung überlegen. Und vielleicht ist es die Erinnerung an die kindliche Langeweile, die mich dazu bewegt, Pseudo-Möglichkeiten, vom Game Boy über Studienunterlagen zu Jonglierbällen, aufzubewahren. Aber als Erwachsene sind mir diese Dinge nur konstanter Reminder eines schlechten Gewissens. Jeder Gegenstand ruft: "Kümmere dich!" Ich war so kurz davor, Jonglieren zu können und habe die Bälle dann nie mehr hervorgenommen. Würde ich es jetzt tun, müsste ich mich vor mir selbst schämen und mein innerer Richter würde mich für Vernachlässigung und Torheit verurteilen. Blödsinn? *nickt* Besserung gelobt? *nickt* Dann erhalte deine zweite Chance auf mehr Desselben.

Ich bin um so vieles leichter, da ich als Erwachsene nun den Mut hatte, den inneren Richter mit meinem Gerümpel zu entsorgen. Er wird wieder angekrochen kommen und unsere SM-Beziehung wird weitergehen, aber gerade sehe ich nur Platz für mich zum Leben.

Mittwoch, 16. April 2014

Platzhalter

Eine Rose braucht eine Vase, die eine von zweien ist, aus dem Urlaub in Malta, der schön war, weil das Meer blau war wie die Vase.
In der zweiten Vase ein Spinnenbein, das die Spinne zurückgelassen hat, als Andenken an ihren Besuch bei mir.
Nebeneinander stehen sie, die kleine rosenhaltende Vase, ihr grosser Zwilling, leer bis auf ein Gebein, Sonne, Mond und Sterne, gelb auf blau wie am Meer in Malta.
Sie werden umgeben von einer Staubschicht, die zu entfernen einer relativ verschränkten Armbewegung bedarf.
Das trübe Meer erblaut und es fällt ein weiteres Blatt. Böse Vase! Blätter und Beine!
Iss den Staub, der dich umgibt, und lass mir das Leben. Ein ganzes Regalbrett unterstützt dich in deiner Aufgabe und du saust es ein.
War Malta trüb? Eine Insel vom Meer umspült. Kein Staub, kein Strand, nur blau. Von der Kante direkt ins Meer geplumpst, Vase, hörst du das?
Malta war Meer und Meer war Malta. Vase, du passt nicht.
Im Souvenirshop auf Malta, dann Schwimmen im Meer. Wie bitte?
Vase gekauft, Vase gekauft, aber auf Malta.
Von der Kante direkt auf den Boden, ein Missgriff, egal.