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Freitag, 12. Oktober 2012

Armes reiches Deutschland, 1

Ist man in Bochum unterwegs weiss man nie, was einen um die nächste Ecke erwartet. Sei es der bunte und laute Einzug der Köche und Kellner bei der Culinaria, verkleidete Menschen, die für das Telefonbuch werben oder Bands und Chöre am Bochumer Musiksommer. Am Dr. Ruer Platz ist es selten langweilig. Egal, was passiert, man ist dabei, wird sofort mitgerissen, ins Geschehen gezogen und kann kaum anders als stehenzubleiben und zu applaudieren. Bochum, eine positive Stadt mit einem ansteckenden Wir-Gefühl. Ich grinse oft total bescheuert. Bochum ist schön. Hier könnte meines Bleibens sein.

Auf der Strasse wird man angesprochen. Das ist Teil des Wir-Gefühls. Und natürlich mache ich kurz ein Foto oder sage, wo es zum Bahnhof geht und tut mir leid, ich weiss nicht, wo die Massenbergstrasse ist, bin selber neu hier. Würde ja gegen das überteuerte neue Schauspielhaus stimmen, bin leider nicht von hier, aber verstehe ihr Anliegen total.

Bodo, das Strassemagaziiiin? Ja ok, einsachzig schaffe ich. Sie sind nur heute da? Ach, falsch verstanden, sie sind heute zum ersten Mal da? Sind Sie der Chefredakteur? Nein? Ach, ich dachte das aufgrund ihrer Kleidung. Jeden morgen bei der Caritas duschen und rasieren, achso. Umsonst, aber schlafen kann man da nicht, da hängen die Alkies, machen Lärm und klauen. Die Trompete, das einzige Besitzstück, kann man da aber einschliessen. Sind Sie obdachlos? Ja, seit ein paar Wochen. Ist ja zum Glück noch nicht so kalt. Nicht? Ich finde es schon ziemlich kalt im Oktober. Sie schlafen draussen??? Abends mit dem letzten Zug ein Stück hinaus, damit man nicht gestört wird und dann ins Gras legen? Wegen der ganzen Alkies. Schock meinerseits. Adretter Herr im karierten Hemd, ich dachte, er wollte mich vielleicht zum Kaffee einladen oder nach dem Weg fragen. Der nächste Kunde, eine Kundin, die von bodo schwärmt. Die Artikel wären so toll geschrieben. Weg ist sie. Sie schlafen wirklich draussen? Ja, das geht noch gut so. Wohnungsbesichtigungen laufen, aber Amt will nicht zahlen. Kann ich ihnen irgendwie helfen? Haben Sie eine Decke? Nein, er kommt klar. Ich wirke wohl ommahaft und er ist keine echte Bestürzung mehr gewohnt. Ich kann mich daran nicht gewöhnen. Verdattert und irritiert verabschiede ich mich und wünsche alles Gute. Ohje, klang das ironisch? War nicht so gemeint.

Und wie lange zieht der das noch durch, nicht zum Alkohol zu greifen und jeden morgen als Vorzeigewohnungssuchender auf seine Körperhygiene zu achten, wenn er nichts, absolut gar nichts davon hat?

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