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Dienstag, 23. Oktober 2012

Armes, reiches Deutschland, 3

Im Ruhrgebiet kommt man leicht ins Gespräch. Auf der Strasse, beim Einkauf, im Zug. Es ist mir nicht unangenehm. Und die anderen sind nicht genervt, wenn ich frage, weil ich die Lautsprecherdurchsage nicht verstanden habe oder den Weg nicht kenne. Man spricht miteinander. Die Mitarbeiterin, die die Fahrscheine kontrolliert, sagt mir einfach so, wie ich günstiger zu meinem Regionalabo komme. Der Kaffeeverkäuferin ist aufgefallen, dass ich jetzt da bin und einmal die Woche bei ihr einen Becher Kaffee kaufe. Sie fragt mich, ob ich mich in Deutschland gut eingelebt hätte. Na ja, geht, im Dezember gehe ich wieder. Ja, Schweiz sei halt besser, sagt sie.

Auf dem Bahnsteig trinke ich meinen Kaffee. Drei Plätze weiter einer, der aussieht wie ein Obdachloser. Schlechte Zähne, ungepflegtes Äusseres. Endlich Feierabend, sagt er und lacht. Andere gehen jetzt zur Arbeit (danke fürs Erinnern), er geht jetzt nach Hause. Nachtschicht. Wie er das hasst. Ich bin neugierig, was arbeitet der wohl? Er sei Koch. Zu seiner Verteidigung nehme ich jetzt einfach an, dass er gerade zwölf Stunden hinter der Fritteuse stand und darum so aussieht. Aber sei ein guter Job. 1300 Netto. Aber immer diese Wechselschichten. In der Woche wechselnde Wechselschichten. Fiese Alliteration, er muss nämlich sechs Stunden nach der Nachtschicht zur Mittagsschicht antreten. Sieben Tage die Woche kommt öfter vor. Sei Zeit, dass er mal in den Urlaub fährt.

Er ist ein Krösus, er kann in den Urlaub fahren. Kein Privatleben, keine geregelte Arbeitszeit, keine Sicherheit, aber er hat Ground Zero plus 300. Damit gehört er zur Mittelschicht. Hier werden keine Mindestlöhne gezahlt, Ruhezeiten geregelt oder richtige Verträge mit Kündigungsschutz geschlossen. Gehsse malochen, hasse Geld, wirse krank, hasse Pech.

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